Mittwoch, 9. März 2011

Renovation overflow








The wait is over. Finally, here some pics from our new place in East Sydney.

Montag, 30. August 2010

Montag, 12. Juli 2010

Outbacktour 2009 - STARTKLAR

Im November 2009 nahm Corinna S. aus H. den weiten Weg über zwei Ozeane auf sich, um australischen Staub zu schnuppern. Einquartiert wurde sie in der Stanley Street / downtown Sydney. Nach ein paar entspannenden Tagen an den Stränden galt es, dass der Ernst des australischen Lebens beginnt: Eine Tour durch’s Outback. Acht Tage roter Sand.

Die einzelnen Stationen kann man hier rechts auswählen --->

Den geneigten Europäer kann freilich nichts abschrecken, daher genügt auch ein geliehener Toyota Corolla Stadtwagen, um diese Reise auf sich zu nehmen – schließlich hat das bereits zwei Mal bestens funktioniert.
Zelt, Schlafsäcke, zahlreiches Kartenmaterial sowie ein ungefährer Plan wurden in Auto gepackt...


Und schon ging’s los.

Outbacktour 2009 - Tag 1

East Sydney nach Nyngan – 533 km.



Nachdem wir den endlosen Siedlungsbreit von Sydney durchquert hatten, lag unser erster Halt am Blue Mountains Highway in Katoomba! Dort fanden wir uns in der örtlichen Ritterstube ein, welches von den verstoßenen Mitgliedern der Kelly Family geführt wird. Wir erhielten wohlschmeckenden Öko-Kaffee und leckere Sauerkraut-Sandwiches. So gestärkt konnten wir Corinna auch DIE Hauptattraktion des Berg-Städtchens zeigen: Die DREI SCHWESTERN.



Zu bewundern von einer gigantomanischen Betonplattform aus, welche man großzügig in den Nationalpark gefräst hatte. Neben 2.000 japanischen Touristen mit wundgeknipsten Fingern und Dauergrinsen gab es auch den Quoten-Abo, der bunt bemalt auf dem Digeridoo flötete (welches nebenbei nicht Australien-typisch ist, da es nur in einer einzigen winzigen Region Australiens benutzt wird, irgendwo in der Nullaboor-Wüste, ca. 4.000 km von Sydney entfernt).

Wir passierten in Lithgow die Ferrero-Kinder-Überraschungsei-Fabrik, machten letzte Campingeinkaufe in der Hauptstadt von Tote-Hose-Land, Bathurst, kauften für Corinna’s Flug-geschundene Beine Stützstrümpfe in Orange (Die Heimat des Australischen und weltbekannten Helden Banjo Patterson!!…), durchfuhren ein Kaff namens Molong, welches nicht mal ein Ortschild hat, düsten schnell durch Wellington NSW, dessen Hauptattraktion eine Kentucky-Fright-Chicken-Filiale ist, fuhren weiter über Dubbo, Endhaltestelle der Bahnlinie von Sydney, bewunderten die 6 Häuser von Narromine, machten den merkwürdigen, quadratischen Knick der Mitchel Highway durch, bestaunten die toten Kühe in Trangie und landeten schließlich mit Einbruch der Dunkelheit in Nyngan. Hier sollte es 2 Zeltplätze geben, einen direkt am Bogan River („Proll-Fluss“). Den fanden wir aber nicht. Also fanden wir uns ein, am Zeltplatz unseres Vertrauens - mit dem Wissen, dass wir unser Lager wieder einmal auf der 10x10m großen Verkehrsinsel aufschlagen werden. Nach getanem Dosenfutter, einem Angriff der Monster-Schrecke und dem durch dieses Gekreische verursachten Nachbarswecken, gingen wir zu Bett. Oder so ähnlich…

Outbacktour 2009 - Tag 2

Nyngan nach Broken Hill - 595 km.



Am nächsten Morgen musste Corinna feststellen, dass so eine Nacht im Zelt alles andere als Loréal-glatte Fernseh-Haut bedeutet. Auch Frank und Martin wirkten zu so früher Stunde recht unfrisch – vor allem wenn man morgens um halb 6 von einer Horde EXTREM laut kreischender Galah-Papageien geweckt wird.



Nach einem Müsli-Frühstück setzten wir die Reise fort – bevor es dunkel wird (Kängeru-Suizid-Alarm!!) wollten wir in White Cliffs sein – der Stadt, unter der Erde. White Cliffs liegt in der Wüste und ist eine Bergbau-Siedlung. Dort wird es tagsüber so heiß (um die 50*C), dass man den gesamten Ort unterirdisch in den Fels baute; zu erreichen über zahlreiche Stufen tief in den Wänden eines riesigen Lochs verborgen. Und ja, der Ort ist mit 150 Einwohnern nicht nur bewohnt, sondern auch die größte Stadt im Umkreis von 300 Kilometern!

Leider zieht sich diese Strecke. Sie zieht sich und zieht sich und zieht sich… Das liegt daran, dass es dort nichts zu sehen gibt als endlos plattes, verdörrtes Land und einer laaaangen grauen Linie: den Barrier Highway.



Ein großes Schild im Nirgendwo weißt uns die Richtung: Dort sind vier Orte angegeben – und das sind tatsächlich die einzigen Orte, die an diesem Highway liegen:


Bis in die nächste größere Stadt – Adelaide – waren es nur noch 1.012 km…

Den nächsten Zwischenstop machten wir im Wüstenstädtchen Cobar:



Das ist der Ort, der bekannt ist für die größte Bierdose Australiens...



Das sagt auch schon alles aus, über das, was man über Cobar berichten könnte. Hier war es auch, wo Martin bei seinem letzten Aufenthalt im reizenden Cobar von einem kreischenden Mädchen einen Fingerzeig bekam: „Schau, Mutti, ein Fremder!“. Dies blieb uns diesmal erspart.

Weiter ging die Fahrt, vorbei an zahllosen kleinen Sandtornados und der Grenze zur Fruchtfliegen-freien Zone. Bald würden wir in Wilcannia sein, wo die Wüstenpiste nach White Cliffs abbiegt.




Kurz nachdem eine Großfamilie Emus unsere Vorbeifahrt überlebt hatte (und wir ihre), endete der Nachmittagsausflug eines Papageien-Pärchens abrupt und tragisch an unserer Windschutzscheibe… Auf diesen Schreck mussten wir ein paar Kilometer später erst einmal von der schnurgeraden Straße abkommen und in ein fettes Loch fahren. Einen kräftigen Rums später, fanden wir uns hellwach auf der Straße wieder und setzten unsere Fahr fort. Aufgrund der Hitze entschieden wir uns, auf unserem Lieblingsrastplatz Halt zu machen, um eine Wassermelone zu verspeisen. Dieser Rastplatz ist Gold wert, denn dort gibt es mitten in der Wüste ein paar Bäume und einen Schatten spendenden Unterschlupf. Diesmal waren wir nicht allein: Ein Herr von der Autobahnmeisterei war gerade dabei den Unterschlupf mittels Wasser aus dem Tanker zu reinigen. Sehr gut, das bedeutet wohltuende Abkühlung! Die Außentemperatur lag gerade bei 37*C. Als Martin die Autotür aufmacht und nach unten schaut, schlägt er diese gleich wieder zu. Mit bleichem Gesicht und ganz vorsichtig weist er die Insassen auf folgende Tatsache hin: „Ähm, also… das Hinterrad ist komplett im Arsch…“
Tatschlich: Unser linkes Hinterrad war nicht nur platt wie ‚ne Flunder – auch war die Felge ein zerbeultes Trauerspiel. Nun galt es, Ruhe zu bewahren und das Rad zu wechseln. Den dazu benötigten Wagenheber konnten wir nicht finden… Daher fragte Frank beim Herrn von der Autobahnmeisterei nach, ob er einen hätte. Hatte er, nur keinen, der unter unser Auto passen würde. Gelichzeitig ging ihm ein Licht auf: „Ach ja – das hat schon einer über Funk gemeldet, dass da ein paar Bekloppte mit ‚nem Platten rumfahr‘n!“

Danke. Vielen Dank für diese Information.

Nachdem wir das Auto in seine Bestandteile aufgelöst hatten, fand Frank den Wagenheber hinter der extrem festklemmenden Verkleidung der rechten Rückleuchte. Ruckzuck war der Platten repariert.



Doch hatten wir nun ein Problem: Kein Ersatzrad mehr übrig. Doch wussten wir, dass in Wilcannia eine Autowerkstadt ansässig ist. Da würden Sie geholfen! Frisch fröhlich ging es also weiter.

Bis wir in Wilcannia ankamen. In der Tat war die Autowerkstadt offen – doch leider, so teilte uns der Deutschland-begeisterte Mechaniker mit, habe er keine Ersatzreifen für Stadtautos. Schließlich gäbe es solche hier nicht. Natürlich nicht. Dafür warf er einen Blick auf die zerbeulte Felge, welche im Rest der Welt den Weg in die ewigen Schrott-Gründe gefunden hätte. Nicht so in Wilcannia, Outback New South Wales. Dort zuckt man mit den Schultern, greift die Felge und einen sehr großen Vorschlaghammer, schlägt drei Mal mit aller Wucht darauf ein, und sagt: „Das sieht wieder 1A aus!“. Ja, wirklich, die Felge sah aus wie neu! Mit der Infos, dass dies ein kostenloser Service sei und sich die nächste Werkstadt im nächsten Ort, Broken Hill, befände („Vielleicht…“), zogen wir dankend von Dannen.

Leider liegt Broken Hill sehr sehr weit entfernt. Nämlich 202 Kilometer. Die Idee mit der Stadt unter der Erde war damit begraben. Wir mussten nach Broken Hill. Endstation Hoffnung.



Auf halber Strecke stoppten wir am „Little Topar Roadhouse“. Zwei Tanksäulen und ein Plumpsklo. Zur Erfrischung greift Martin Richtung Apfelsaft – bzw das, was davon übrig war. Aufgrund der enormen Außentemperaturen (inzwischen über 40*C), war die Flasche in einer Explosion zerfetzt worden. Diese tränkte die Innenverkleidung des Autos in eine klebrige (und für den Rest der Reise stinkende) Flüssigkeit. Ein T-Shirt musste als notdürftiger Wischlappen herhalten – für die nächsten 136km flatterte es zum Trocknen außen am Auto, eingeklemmt in die Scheibe der Rücktür.



Schließlich erreichten wir Broken Hill, mit rund 18.000 Einwohnern größter Ort im Umkreis von über 500 Kilometern. Und es regnete. In Broken Hill. In der Wüste. Wir fanden auch die Autowerkstadt – und als wäre es ein Gesetz, dass nach einem Tiefschlag auch mal das Glück wieder kommen muss – ergatterten wir den LETZTEN Reifen von ganz Corner Country! Unsere 1A-Second-Hand-Felge wurde bespannt und verschwand im Kofferraum. Glücklich und zufrieden fanden wir uns nach einer Tour durch‘s örtliche Shoppingcenter (-5*C) am Zeltplatz ein. Als einzige Zeltbesitzer waren wir umzingelt von Luxus-Wohnwagen; mit Satellitenschüsseln, riesigen Flachbildfernsehern, voll ausgestatten Outdoor-Einbau-Küchen und sogar Sofaecken. Argwöhnisch wurden wir beäugt: Das muss eine Schlampe sein, die mit zwei Männer (!!) in einem (!!) Zelt schläft. Immerhin konnten wir Wäsche waschen, richtig Duschen und sogar unsere Handys aufladen. Denn hier hat man sogar Empfang! *Biep-Biep* Die erste SMS kam aus Deutschland: Elke K. aus Berlin wünscht Martin alles Gute, wo auch immer er gerade sei :) Nun ja, Elke: auf einer Termiten-verseuchten Sand-Fläche in einem Gott verlassenen Kaff am unteren Ende vom Arsch der Heide…



Für unseren schweren Tag wurden wir oben auf der Abraumhalde, mitten im Stadtzentrum von Broken Hill belohnt: ein grandioser Sternenhimmel in endloser Finsternis! Sogar etwas Richtiges zu Essen haben wir bekommen. Die Zeltplatz-Katze machte es sich derweil auf der Rückbank unseres Autos bequem, während wir den 4-Liter-Karton Billig-Wein killten.


Nun konnten wir beruhigt schlafen gehen.

Outbacktour 2009 - Tag 3

Broken Hill über Silverton, Packsaddle und Milparinka nach Tibooburra - 412 km.



Der Morgen startete mit einem Sonnenaufgang, wie er eben nur in Australien möglich ist: Rot, roter, über rotem Sand mit einer riesigen Sonne. Großartig – dafür steht man doch gern um 5 Uhr auf!



Es galt umplanen – unser Zwischenziel, die Sturt Desert konnten wir auch von Broken Hill aus erreichen; über den Highway 79 - ganz romantisch "Silver City Highway" genannt. Natürlich hatte Martin sich über den Zustand aller Straßen (und Alternativstrecken!) dieser Reise bereits vorab bei Nationalparks, Touri-Infos und Internetforen informiert. In Australien eine UNABDINGBARE Vorsichtsmaßnahme. Der Silver City Highway sei demnach „teilweise unasphaltiert“, jedoch in „sehr gutem Zustand“ und auch „problemlos mit einem Stadtauto befahrbar“. Ganz klar ist das in Australien nicht, denn eine Autobahn kann hier auch eine tausende Kilometer lange Wüstenpiste sein. Doch auch die Straßenkarte ließ uns bester Stimmung sein. Und das, obwohl der Highway mitten durch die Strzelecki Desert führt, als einzige Verkehrsader überhaupt. Nach einem Abstecher in das Geisterstädtchen Silverton, wo wir Corinna panorama-technisch auf das vorbeireiten wollten, was da kommt, fuhren wir los. Die Autobahn war in hervorragendem Zustand – wir waren begeistert! – bis sie plötzlich am Flussbett des Stephens Creek endete… Hinter dem ausgetrockneten Flussbett, ohne Brücke, sahen wir es: Eine schier endlose Sandlinie, eingerahmt von noch mehr Sand. Und Sand. Und endlos viel Sand. Tief durchatmen. Augen zu. Und durch!

Ja, DAS ▲ ist wirklich der Highway 79!!

Wir rollten, gezwungener Maßen, gemütlich über Sand und Steine, durch eine Landschaft, die man gesehen haben muss, um sie zu begreifen: Da ist einfach Nichts. Nichts als menschenleere Ödnis. Kein Baum, kein Gras, keine Telefonmasten, keine Häuser. Nicht einmal ein Geräusch. Keines. Gar keins. Nur Stille, ein absolut flaches Niemandsland, roter Sand und ein atemberaubend blauer Himmel.



Von Zeit zu Zeit wurde die Sandlinie grau, alle paar Kilometer gab es einen wenige hundert Meter langen Asphaltstreifen – an den Stellen, wo alle paar Jahre einmal ein gigantischer Fluss quer durch die Wüste donnert – und alles mit sich reißt, was sich ihm in den Weg stellt. Inklusive Autobahnen. Die Spuren dieses seltenen Wassersegens sind unübersehbar: Mitten durch die Sandödnis gibt es lange, fast gerade Linien, auf denen dicht an dicht halbtote Bäume wachsen. Sie warten dort manchmal für Jahre, dass in der 5cm tiefen und 20m breiten Rinne Wasser fließt. Es sieht absolut skurril aus.



Nach 176km erreichen wir Packsaddle, ein Haus, genau zwischen Broken Hill und Tibooburra. Dort bekommt man gratis einen Kaffee, kann notfalls tanken und es gibt ein warmes Essen. Das wichtigste aber: Es gibt Schatten! Die Außentemperaturen sind unvorstellbar. So sehr, dass man sogar IM Restaurant rauchen darf. Wir sind auch die einzigen Gäste.



Bis auf einen Typen, der sich im Gästezimmer eingemietet hat (und nicht sprechen möchte). Packsaddle hat eine einzige Bewohnerin, um die 30, weiblich, füllig und fröhlich. Letzteres ist erstaunlich, denn sie ist hier ganz allein. Wir fragen sie nach dem Zustand des Highways Richtung Tibooburra. Mit hochgezogenen Brauen zeigt sie mit dem Finger nach Norden. „In dieser Richtung war ich noch nie.“ Wir versuchen unser Entsetzen zu kaschieren. Das ist nicht weiter verwunderlich: Der Highway führt nach Norden, Richtung Darwin. Bis dahin sind es fast 3.000 km. Und es gibt nur 4 Ortschaften zwischendurch.

Nach einem Burger und mehrfachen Beratschlagungen entscheiden wir uns, die Reise auf der Sandpiste fortzusetzen. Die Dame vom Grill meinte, sie habe schon normale PKW „in diese Richtung“ fahren sehen. Wir rollen also wieder los. Nach 48km und fast einer Stunde erreichen wir die Kreuzung mit dem Opal Miners Way – hier wären wir rausgekommen, wenn wir über White Cliffs gefahren wären. Ein Blick auf die katastrophale Schlagloch-Piste mitten im Sand lässt uns aufatmen, dass wir einen Platten hatten…



Nach weiteren 76km und dem Antreffen einer Ziegenherde, die sich ausschließlich von Sand und Steinen ernährt (es gibt Beweisfotos), erreichen wir den Abzweig nach Milparika. Tibooburra ist noch 40km entfernt. Das heißt mindestens noch eine Stunde fahren. Wir entscheiden uns, dass die zwei Kilometer Umweg gerechtfertigt sind. Vielleicht gibt es dort Schatten.



Milparika liegt hinter dem ausgetrockneten (und Brücken-losen) Flussbett des Mount Brown Creek. Der Ort besteht aus einer Tanksäule und 5 Häusern: eines ist bewohnt von zwei Seelen, die vier anderen Häuser sind Ruinen, in einer genießt ein Känguru den einzigen Schatten weit und breit. Milparika hat zwei Straßen, Sandpisten, diese heißen Loftus Street und Cemetery Road.



An der Cemetery Street liegt, wie der Name schon verrät, der Friedhof. Er hat drei Gräber, eingefasst von verrosteten historischen Gitterchen, die Gräber sind Steinhaufen, mitten in der Wüste. Wir drehen sofort wieder um. Die Straße ist dermaßen schlecht, dass sich eine Weiterfahrt schon allein deshalb nicht lohnt.



Ein Schild mahnt uns, dass wir hier maximal 100km/h fahren dürfen. Wir schaffen nicht mal ein Fünftel davon.



Unsere Laune ist zwar nicht schlecht, dazu ist die Landschaft zu spektakulär. Aber wir wissen auch, was uns nach Packsaddle und Milparika und alle den anderen Outbackkäffern erwartet: Nämlich Trostlosigkeit. Unsere Nerven liegen ziemlich blank. Wenigstens die letzten 15km bis in den Ort sind asphaltiert. Wir rasen mit Vollgas ins Städtchen, 150 Einwohner, wie das Ortschild verrät.



Und werden überrascht: Zwar ist dies noch schlimmer als ein Gott verlassenes Kaff (und liegt tatsächlich in Nirgendwo), aber: Es ist total hübsch! Kleine alte renovierte Häuschen reihen sich entlang der Dorfstraße. Alles sieht gepflegt aus. Hier gibt es auch ein paar Bäume, riesige Bäume. Es ist der schönste Outbackort, den wir bis dahin gesehen haben. Sogar eine echte urige Kneipe gibt es, total schön eingerichtet, jedes Sydneyer Etablissement könnte sich davon eine Scheibe abschneiden. Vor der Kneipe, dem „Family Hotel“ sitzen ein paar Einwohner im Schatten des Vordachs. Die Hitze ist unvorstellbar. Aber das wichtigste von allem: Es gibt Bier. EISKALTES Bier. Amtshandlung Nummer Eins: Bier her! Am Tresen gibt es die nächste Überraschung. Hier bekommt man für vier Dollars pro Kopf ein Handtuch, Duschgel und den Schlüssel zu einem pikobello-gepflegten Bad mit Dusche. Strom und Fön und Pflegemittel sind kostenlos. Amtshandlung Nummer Zwei: Dusche!!!!!!

Ich glaube, da war die schönste Dusche, die ein jeder von uns bis dahin jemals hatte!

Amtshandlungen Nummer Drei bis Fünf waren weitere eiskalte Biere und ein Schnack mit der Dorfbevölkerung. Eine Dame, sie arbeitet für den Nationalpark, ist sogar von Mildura / Victoria hierher gezogen. Hierher! Nach Tibooburra, wo der nächste Supermarkt in Broken Hill liegt. 412km pro Richtung (das Ortschild irrt!). Auf der Terrasse sitzt auch ein alter Mann, der nicht viel sagt, aber viel lacht. Später erfahren wir im Internet, dass er die Dorfgröße ist, den Namen habe ich schon wieder vergessen; ist nachzulesen auf www.tibooburra.com.au.

Die Dame vom Nationalpark (sie ist sehr korpulent, trägt gestreifte Leggins, ein sehr große pinkes Shirt und lange blonde Haare), sagt uns, dass wir nun los müssten. Fragezeichen. In 12 Minuten würde die Sonne untergehen, erklärt sie. Wir müssen schnell auf den „Sunset Hill“, dem einzigen Hügel weit und breit. Es seien nur zwei Kilometer, dann ein kurzer Fußweg, wir könnten es noch schaffen. Wir entscheiden uns etwas widerwillig, das zu machen, schon wieder Auto fahren. Aber es ist ja um die Ecke. Kurz hinter dem Ort steht mitten im Sand ein Schild, das wiederum mitten in den Sand zeigt – und zum Sunset Hill. Bewaffnet mit unseren unerschöpflichen Vorräten an 4-Liter-Karton-Wein und drei Plastikbechern folgen wir dem Pfad. Hinter uns versinkt gerade die Sonne.



Als wir auf der Spitze des Hügels ankommen, erwartet uns ein Panorama, welches sich nicht beschreiben lässt. Es war einer der bewegensten Momente meines Lebens. Um uns herum war Nichts. Einfach Nichts. Absolute Stille – nur der warme Wind fegte uns um die Ohren. Und die Sonne versank in einem orangen Feuerwerk. Irgendwo hinter der waagerechten Sandlinie hinter Tibooburra. Irgendwo dort, wo die Welt tatsächlich zu Ende ist.



Zurück im Ort, es war bereits stockfinster und die Augen mehrerer Kängurus funkelten im Licht unseres Scheinwerfers, hielten wir am Haus der Rangers für das Aboriginal-Land. Dort sollte es einen Campingplatz geben. Ein ziemlich betrunkener Herr, schmächtig, optisch 60 Jahre alt, öffnete die Tür. Gegen 20 Dollar gab er uns einen Schlüssel und eine Wegbeschreibung mit auf den Weg: Kurz vor der Tanke links, dem Weg folgen, über das Bachbett, dann gleich dahinter an der Kreuzung rechts, die nächste links bis zum Tor. Wir reden hier von flacher Wüste. Flacher Wüste mit flachen Sandwegen. In totaler Dunkelheit. Kein Licht, gar keines. Wir fanden das Tor. Dahinter lag, auch in endloses Schwarz gehüllt, der Campingplatz. Wir konnten nichts sehen und bauten im Kegel der Auto-Scheinwerfer das Zelt auf.



Irgendwo weiter hinten schien eine Art Unterstand zu sein. Wir tasteten uns vor. Dort standen Tische und Bänke, unser Gaskocher bereitet unser Abendessen und natürlich versüßte uns der 4-Liter-Karton diese Nacht. Der Sternenhimmel ist unglaublich. Es ist dermaßen finster dort draußen, dass man die unterschiedlichen Farben der Sterne erkennen kann. Mit bloßem Auge. Da sind weiße und gelbe und blau und rote. Milliarden von Ihnen.



Nach mehrfachen Erklärungsversuchen, dass auf der Südhalbkugel alles Kopf steht, konnten wir uns schließlich darauf einigen, dass sich Orion in Australien IMMER in Norden befindet :) Unsere Kamera hat das Sternbild Orion aufgenommen – in einem Farbspektakel, das Europa so niemals sehen wird.


Gute Nacht!

Sonntag, 11. Juli 2010

Outbacktour 2009 - Tag 4

Tibooburra über Sturt Desert nach Wanaaring - 286 km.



Der nächste Morgen bot einen Sonnenaufgang, der genauso spektakulär war wie der Nachthimmel. Zunächst war die Wüste rot, dann orange und dann gleizend weiß, nur unterbrochen von den runden Felsbrocken, die wir bis dahin nur bei Tibooburra gesehen hatten.



Ein Müslifrühstück und Zwischenhalt beim betrunkenen Ranger später, wollten wir uns noch den Sturt National Park anschauen. Eine gigantische wasserlose Stein-Ebene, etwa so groß wie das Land Brandenburg.



Nach einer halben Stunde und ca. 12km stoppten wir dieses Vorhaben. Die Piste war gespickt von spitzen Steinen, wo das Auge hinschaute. Mitten drin ein einsamer Emu. Was der hier wohl frisst? Es gab nicht einmal Gras. Nur glutheiße schwarze Steine. Wir fuhren zurück. Unterwegs labten sich zwei Adler an einem toten Känguru. Die finden hier immer etwas, sie sind riesig, gut zwei Meter Flügelspanne. Wir kamen wieder im Ort an.

Im Tante-Emma-Laden konnte wir nicht nur die Kamera-Akkus gratis aufladen, nein es gab auch entzückende Postkarten und – zur großen Freude von Corinna – tatsächlich eine Sternenkarte der südlichen Hemisphäre! In Tibooburra, 150 Einwohner, irgendwo in der Wüste.



Bei einem Kaffee beratschlagten wir unser Vorhaben, über die MR405 nach Bourke zu fahren. Das ist eine Abkürzung, 399 km unasphaltierte Piste, die selbst in der Karte als „Piste“ ausgewiesen ist. Wir haben Zweifel. Und Bedenken. Extreme Bedenken. Bei den Anwohnern informieren wir uns über den Zustand der Straße, laut Touri-Info „nicht besonders gut, aber langsam und vorsichtig auch mit einem Stadt-PKW befahrbar“. Das sehen die Leute in Tibooburra auch so. Erst vor zwei Tage sei jemand mit einem normalen PKW nach Bourke aufgebrochen. Das lässt hoffen. Nach einem Abstecher ins örtliche Postamt (mit dem „ganz besonderen Poststempel“) biegen wir ab. An dem Schild steht „Waaring: 234km“. Das wollen wir in acht Stunden erreicht haben. Es ist der einzige Ort, der dort kommt.

Die Fahrt beginnt hoffnungsvoll. Die Piste ist sandig, aber gut befahrbar. Die Schlaglöcher lassen sich einfach umfahren. Doch das bleibt nicht so. Unsere Geschwindigkeit nimmt rapide ab. Zwischenzeitlich liegt sie bei 5km/h. Immer mehr und immer spitzere und größere Steinbocken liegen auf der Piste. Die Nerven liegen blank. Zwischendurch kommen immer wieder sandige Anschnitte, auf denen wir schnell und gut voran kommen; aber dann kommen wieder Steine, Steine, und noch mehr Steine. Mehrmals kratzt es bedenklich an der Ölwanne. Nach zwei Stunden erreichen wir die 2km breite Schwemmebene des Bullo River, der hier einfach in der Wüste versickert. Da müssen wir nun durch, eine Brücke gibt es freilich nicht. Die Ebene ist glatt und sandig. Schilfartiges Gewächs zwängt sich durch den gelben Staub. Mit Schwung überwinden wir die Uferkante auf der anderen Seite. Links und rechts der Piste zeigen alle zig Kilometer mal Schilder mitten in die Wüste: Irgendwo hinter dem Horizont liegt eine Farm. Ich frage mich, was die da machen?



Sandexport scheint mir die logischste Erklärung. Davon gibt es hier mehr, als die gesamte Menschheit je verbrauchen könnte. Die Piste wird nun für 180 km schnurgerade aus führen. Wir folgen der Linie mit Angstschweiß. Es bleibt uns nur eines: Das Prinzip Hoffnung. Wir brauchen eine Pause, dringend. An dem einzigen Busch weit und breit machen wir Halt. Die Temperaturen sind unvorstellbar. Wir haben Angst um die Reifen. Luft muss da raus. Der Busch hat so spärliches Blätterwerk, dass es keinen Schatten spendet; auch scheint die Sonne von oben. Wir haben für diesen Fall vorgesorgt: Unsere Regenschirme bieten eine perfekten Schutz.



Drei Typen, mitten in der Wüste, die Regenschirme aufgespannt. Wir lachen uns schlapp. Doch das ist optimal! Halb zerlaufene Muesli-Riegel und Puller-warmes Wasser bilden unser Mittagessen. Das schmeckt gar nicht so schlecht. Schon gar nicht hier draußen. Unsere Laune steigt wieder. Gerade haben wir unsere Fahr fort gesetzt, überholt uns hier tatsächlich eine Jeep! Hier! Das Auto bremst ab, verlangsamt die Geschwindigkeit. Eine Dame mit blonden schulterlangen Harren und weißem Top starrt aus dem Fenster. Ihr vollkommen fassungsloser Blick sagt alles: Drei irre Stadt-Tanten, zwei Schwuchteln und ihre Gabi! In einem Toyota Corolla!! Auf DIESER Straße!!!

Wir winken freundlich lächelnd zurück. Die Dame schaut noch fassungsloser. Und gibt Gas. Mit Ihrem Allrad-Antrieb heizt sie durch die Wüste und hüllt uns in eine Staubwolke. Wir sind wieder allein.

Die Landschaft ist so trocken, dass es nun nicht einmal mehr totes Gebüsch gibt. Nur noch Steine, es schaut aus, al wäre alles planiert worden. Wir müssen langsam fahren, auch die Straße besteht nur aus Steinen. Im Vorbeifahren bewundern wir einen einfallsreichen Bewohner dieser Ödnis. Hinter dem einzigen größeren Steinbrocken (ca. 20 cm hoch) duckt sich ein Kurawong in dessen winzigen Schattenwurf. Der einzige, soweit das Auge reicht.

Nach weiteren 1.5 Stunden wieder ein kleines Schauspiel: Jeep kommt von hinten angerast - bremst ab - Scheibe runter - fassungsloser Blick (diesmal ein bärtiger Typ mit schwarz-rot-kariertem Holzfällerhemd) - freundliches Winken – vollkommenes Entsetzen – Staubwolke – Einsamkeit. Die Straße wird immer schlimmer, wir fahren nur noch Schrittgeschwindigkeit und versuchen, den gewaltigen Schlaglöchern und fetten Steinbrocken auszuweichen. Wahrschlichen haben wir dadurch 20km extra auf dem Tacho.
Noch rund 30km bis Wanaaring – und die Straße wird besser. Sand. Wir lieben Sand! Sand heißt: Schnelles Fahren. Keine Steine. Endlich SAND! Dann taucht vor uns das auf, was nur bedingt erfreulich ist: eine große Karawane Emus. An diesem Anschnitt der Strecke spannt sich ein Stacheldrahtzaun entlang. Die Emus rennen an ihm entlang. Das ist gefährlich: Entweder rennen sie vor das Auto oder sie verenden elendig im Stacheldrahtzaun. Emus sind sehr gefährlich, wenn wir einen rammen und nicht weiterfahren können, können wir auch nicht aussteigen: Ihre Krallen sind scharf wie Rasierklingen. Wir wären nicht ihre ersten Opfer. Wir fahren so weit rechts wie möglich, Schrittgeschwindigkeit. Die Emus geraten in Panik. Corinna filmt das Schauspiel aus dem Auto:


[ Klick links > ]

Wir erreichen die Herde. Die Vögel werden immer panischer, rasen, einer überschlägt sich, manche machen Anstalten, in unsere Richtung zu laufen, andere springen gegen den Zaun. Wir sind mitten in der Herde. Frank gibt Vollgas, wir lassen die Emus hinter uns. Sie hören auf zu rennen, alle haben unbeschadet überlebt. Wir auch. Kurz darauf kommt eine Brücke. Darauf steht „Paroo Billabong“.

Wahnsinn. Hier, mitten im Sand ein Paradies: ein riesige Wasserloch, Vögel, Bäume, alles grünt. Dahinter ein Ortschild. Wanaaring. Wir sind da. Wir haben es geschafft.
Der Zeltplatz ist nicht schön, aber schattig. Hier gibt es Bäume im Überfluss. Und Wasser, soviel, dass man es verschwenden kann. 100m weiter fließt der Paroo River – durch einen 50m breiten Urwald, der sich mitten durch die Wüste schlängelt. Bis hierher hat er schon 400km hinter sich. In weiteren 200km wird er einfach im Wüstensand versickern. Nur alle paar Jahrzehnte, wie vor kurzem bei der gewaltigen Flut in Queensland, schafft der Fluss die restlichen 1.200 km, um über den Darling ins Meer zu münden. In Australien gelten eben andere Maßstäbe.
Warum ich das so ausführlich schreibe? Ganz einfach: Wenn man seit 772 Kilometern nur Sand und Steine gesehen hat, und keine Tropfen Wasser, dann ist das ein Wunder. Ein richtiges Wunder. Grüne Bäume und tausende Vögel. Und ein richtig großer Fluss. Mitten im Sand.

Das Wasser ist grau, doch Kinder baden darin. Frank und ich ziehen die Klamotten aus und springen ins Wasser. Die Strömung ist gewaltig. Jede Menge Wasser. Corinna zieht es derweil vor, unter eine richtige Dusche zu gehen. Das holen wir 20min später dann nach.



Wir bauen das Zelt auf, direkt daneben steht ein Kängurus und grast. Aus seinem Beutel schaut ein Baby. Es lässt sich überhaupt nicht stören. Wir gehen noch einmal in die Dorfkneipe. Eine Kneipe für 96 Einwohner. An einem bestimmten Tag, einmal im Jahr, treffen sich alle Familienangehörigen und ehemaligen Bewohner des Kaffs, um hier auf Wanaaring und irgendeine berühmte Oma anzustoßen. Und dieser Tag ist heute.
Die Leute sind kostümiert und natürlich betrunken. Das passt uns, denn etwas anderes als die Seele baumeln lassen und sich betrinken kann man hier eh nicht machen. Tot-überm-Zaun-hängen ginge auch noch, aber das passt nicht in unsere Planungen. Wir mischen uns unter Partyvolk. Das Victoria Bitter schmeckt und ist kalt. Besser geht‘s also nicht.

Zu später Stunde erledigen wir noch die Wäsche. Und eine Extra-dusche, denn in Wanaaring, da geht das Wasser niemals aus. Und da sehen wir es wieder, das typisch australische Wunder des Lebens: Weit und breit nur Sand, doch da wo Wasser Fließt, uns sei es nur ein Klokasten, da gibt es Frösche. Auch hinter dem Spiegel der Zeltplatz-Dusche. Ein Korallenfingerfrosch. Wir fangen ihn, er springt aus Martin‘s Hand auf Corinna‘s Schulter. Glücklicher Weise hat sie kein Problem damit – der Frosch allerdings schon. Als wir versuchen, ihn herunter zu nehmen, spritzt der doofe Frosch einen fetten Schwall Glibber aus allen Poren – und über Corinna’s frisch gewaschenes Shirt.



Das Biest wird wieder hinter den Spiegel entlassen. Und wir gehen schlafen (nachdem wir festgestellt haben, dass „Alberto’s Instant Pasta alla Carbonara“, von Aldi für 1.99 die Tüte, einfach nur Ekel erregend schmeckt).

Outbacktour 2009 - Tag 5

Wannaring über Bourke und Brewerina nach Walgett - 657 km.



Am nächsten Morgen haben wir gute Laune. Wenn wir es bis hierher geschafft haben, dann schaffen wir es auch bis Bourke. Denn dort geht die asphaltierte Straße los. Wir sind bester Hoffnung. 195 km sind es bis dorthin.



Und wieder gilt nur eines: Prinzip Hoffnung.

Die Piste ist katastrophal. Nicht schlimmer als vorher – aber auch nicht besser. Es ist unvorstellbar heiß, kein Schatten, die wenigen Bäume sind nur spärlich belaubt. Nach 50km erreichen wir eine Brücke, daran steht „Kulkyne Creek“. Der Back ist gerade außer Betrieb. Überraschung! Aber das bietet uns die Möglichkeit einer Mittagspause im Schatten. Diese Idee hatte auch jemand anderes: Unter der Brück steht eine Kuh und glotzt uns an.



Gesellschaft ist sie hier draußen nicht gewohnt, daher zottelt sie schnell von Dannen. Dummerweise hat die blöde Kuh unter der Brücke alles vollgeschissen – der einzige schattige Platz ist ein Misthaufen. Da sitzen wir lieber in der Sonne.
Die nächsten einhundert Kilometer bieten wenig Abwechslung, nur die Vegetation ändert sich, es wird langsam etwas grüner. Trocken, aber immerhin halb vertrocknete Bäume. Die Stimmung ist angespannt. Immerhin können wir hier Gas geben. Schöne ebene Sandpiste. Keine Steine. Wir brettern mit 80km/h durch den Wüstensand. Plötzlich sehen wir ein Auto, es steht am Straßenrand. Genauso so ein Auto, wie es die Einwohner von Tibooburra beschrieben hatten: Ein brauner Kombi… Wir schauen und bremsen ab….
BUMM!
Aber volles Rohr. Darum also steht das Auto am Straßenrand. Mit Totalschaden… Wir wissen genau warum, denn wir sind gerade mitten durch gebrettert: Eine von vorn nicht sichtbare, dafür umso tiefere scharfkantige Flutrinne. Einmal quer über die Straße. Wir trauen uns gar nicht, aus dem Wagen zu steigen. Wir haben nur ein Ersatzrad. Der Autobesitzer wurde schon von jemandem aufgelesen. Wie lange wird es wohl bei uns dauern? Wir steigen aus. Ob man wohl mehr Glück haben kann? Alle Reifen sehen gut aus, es läuft nichts aus. Wir setzen die Fahrt vor, ab und an halten wir, um zu schauen, ob die Räder tatsächlich noch ganz sind. Sie sind es. Bei Kilometer 160 sehen wir, was wir begehren: eine asphaltierte Straße. Das Zittern hat ein Ende. Wir haben es tatsächlich geschafft: Wir haben in einem Toyota Corolla die Strzelecki Desert durchquert – das soll uns erst mal einer nachmachen!



Wir überqueren den Darling River und fahren ins Stadtzentrum von Bourke. Australische Ikone. Vorreiter der Outbackstädtchen. Pilgerziel zahlloser Touristen. Wir sind schockiert. Bourke könnte trostloser nicht sein. Ein Supermerkt, eine stillgelegte Bahnstation.



Und abgründige Hässlichkeit. Jedes vorpommersche Kaff ist eine Perle dagegen, was machen die Leute hier? Warum fahren sie nach Bourke? Es wird uns ewig ein Rätsel sein. Bourke ist so hässlich, dass wir uns entscheiden, AUF GAR KEINEN FALL dort zu bleiben. Wir fahren einfach weiter, weiter Richtung Küste. Links auf den Kamilaroi Highway. Unser nächstes Ziel ist das nächste Städtchen in der Karte: Brewarrina, dort ist ein Campingplatz eingezeichnet. Und ein Fluss. Ein groooßer Fluss. Wir kommen an. Kulturschock des Tages Nummer Zwei. Brewarrina ist eine elende Ansammlung von Blechhütten, um genauer zu sein: Die Abstellkammer für ungewollte Aboriginals. Den Campingplatz finden wir nicht, und selbst wenn, sieht es im Ort aus, als wolle man definitiv nur hinter einer verschließbaren Tür schlafen wollen. Wir fahren weiter. Kurz hinter dem Ort überquert der Highway den Barwon River. Wir machen Halt. Der Fluss ist so groß wie die Elbe, und fließt in den Darling River. Ein Paradies. Einhundert Kilometer weiter wird davon nichts mehr übrig sein: Der Fluss wird vollständig auf die Baumwollfelder gepumpt. Im Namen der Wegwerfgesellschaft. Ab Bourke hat selbst der Darling so gut wie kein Wasser mehr. Wir genießen die Schatten im Schilf und setzten unsere Fahr fort. Unser nächstes Ziel laut Karte ist: Walgett. Dort sind Campingplätze und heiße Quellen eingezeichnet. Das klingt gut. Uns empfängt Kulturschock Nummer Drei. Walgett ist hässlich und trostlos, ein verarmtes Outbackstädtchen, verlassen von Gott und der Welt. Nicht mal der Campingplatz existiert noch. Geschweige denn die „Heißen Quellen und Spas“. Die Stimmung ist am Boden. Wir fahren nicht mehr weiter. Nein, nein, nein. Unsere Nerven liegen blank. Absolut blank. Es ist unerträglich heiß. Wir fahren zum örtlichen Spritti-Treff. Das ist der Bottle Shop, sprich der einzige Laden, der Alkohol verkaufen darf. Es gibt nicht einmal einen Gehsteig im Stadtzentrum von Walgett. Auch der Spritti-Treff hat nur einen Zugang: Die Autodurchfahrt. Stiege Bier im Drive-In. Das ist doch großartig! Genauso machen wir es auch. Der Angestellte ist ein jungscher Typ, nicht mal auf den Kopf gefallen. Er sagt uns, dass man am anderen Ende des Ortes, im Stadtpark, kostenfrei zelten darf. Etwas anderes gäbe es nicht. Nicht mal eine Pension. Mit unserem Sixpack XXXX (jaja, genau so heißt DAS australische Proleten-Bier!!) machen wir uns auf in den Park.



Tatsächlich. Ein einsamer Wohnwagen in einem einsamen, vertrockneten Park an einer schönen Autobahn. Na, hallo! Es gibt alles was man braucht: Eine verrottete Gedenktafel, ein Landwirtschaftsmaschinen-Denkmal, das gegen Vandalismus komplett eingezäunt ist, einen Klo-Verschlag mit Bremsspur-Alarm und den obligatorischen öffentlichen BBQ-Grill. Direkt daneben schlagen wir unser Zelt auf. Wir haben sogar Tisch und Bänke – und einen Wasserhahn! Frank beginnt, das Gemüse und Fleisch zu brutzeln. Jo, jetzt machen wir es uns schön! Endlich nicht im Auto, da können uns auch die Millionen Fliegen nicht stören – nein, jetzt, jetzt wird alles gut!!!
Da gibt es Radau hinterm Baum. Eine aufgescheuchte Menge Vögel wirbelt viel Staub auf. Wir schauen nach. Zwei Miner-Vögel kämpfen gegen eine angriffslustige Horde größerer Vögel. Der Grund ist simpel: Es ist angerichtet. Das Dinner soll heute Abend aus den zwei Miner-Küken bestehen, die am Boden zappeln. Ein brauner Vogel pickt immer wieder auf eines ein.

Scheiß Menschlichkeit. Scheiß Mitleid.

Wir verscheuchen die Menge und nehmen die Küken an uns. Halb nackend sind die. Scheiß Menschlichkeit. Scheiße, scheiße, scheiße. Die Küken bekommen mittels Klinex-Tüchern ein Nest in unserer Waschtasche. Piepsen tun die. Ununterbrochen. Mutti Miner sitzt am Rand des Vordachs unseres Tisches und kreischt lautstark. Was sollen wir denn machen, du dusslige Kuh? Nerv nicht. Das Nest liegt in unerreichbarer Höhe. Aber Mutti traut sich auch nicht an die Waschtasche. Es wird stiller. Ein Küken ist von uns gegangen. Irgendwo im Gebüsch freuen sich die Ameisen. Küken Nummer Zwei dagegen hält sich wacker. Wir versuchen es zu fütter. Aber es macht den Schnabel nicht auf. Irgendwas muss Mutti anders machen. Scheiße, wir sind schlechte Muttis. Schlechte Muttis auf der Durchreise. Diverse Insekten, vor den Schnabel gehalten, stoßen auf wenig Gegenliebe. Wir ändern die Taktik. Das Küken schreit immer dann, wenn Mutti auch kreischt. Das versuchen wir jetzt auch. 36 Versuche später können wir Mutti‘s Laut so gut imitieren, dass das Küken den Schnabel öffnet. Aha!



Ein Insekt nach dem anderen wandert in den roten Schlund. Ich perfektioniere den Fütterungsvorgang. Dann schläft das Küken ein. Vielleicht lebt es ja morgen noch.
Inzwischen ist Corinna’s Verzweiflung bezüglich ihrer Hygiene so groß, dass sie eine folgenschwere Entscheidung trifft: Eine umfangreiche Dusche. An dem in 60cm Höhe angebrachten Wasserhahn neben unserem Zelt. Am helllichten Tag, im Stadtpark, neben der Autobahn. Martin hält das Handtuch, um Madame Richtung Wohnwagen abzuschirmen, während Corinna, nackt wie Gott sie schuf, auf dem sumpfigen Untergrund ihren Körper einseift. Richtung Autobahn gibt es keinen Sichtschutz. Aber wen stört das schon? Haben die Jungs in dieser Einöde mal was zu gucken. Das Wasser spritz reichlich – und ich entschiede mich das auch gleich zu machen. Corinna jedenfalls sieht sehr, sehr glücklich aus.



Doch plötzlich kommt doch noch Leben in unsere räudige Bude: Ein Auto hält und drei Figuren entspringen. Bauen ein Zelt auf und sitzen einfach da. Versuche der Kontaktaufnahme scheitern kläglich. Was soll’s. Wir haben unseren besten Freund, Dr Alkohol, immer am Start. Dann kommt ein Wesen mit Zottelhaar auf uns zu. Es ist männlich und sieht echt mal fertig aus. Das Wesen fragt: Hättet ihr vielleicht Mückenspray? Haben wir, sogar das öko-mäßige. Und das BBQ können sie auch gleich haben. Wir seien fertig. Aber davon mag der Herr gar nichts wissen. Brubbelt „Danke“ und trottet von Dannen. Plötzlich kommen auch die anderen beiden Wesen auf uns zu. Sie sind gärtenschlank, haben lange Gewänder und schlohweißes Haar. Offensichtlich Mutter und Tochter. Mückenspray scheint dieser Tage gefragt. Es gibt Milliarden von Mücken, aber heute scheinen sie alle in Walgett zu sein. Die beiden Wesen setzen sich an den Tisch, wir stellen das Küken vor, und uns. Das wirkt. Die Wesen sind von der Erde, aus Norwegen und seien auf einem esoterischen Selbstfindungstrip. (Welcher Ort könnte da besser sein als der Stadtpark von Walgett?!) Die Tochter ist ca. 6 oder 7 Jahre alt, und erzählt uns von ihrem Problem mit den Läusen. Sehr ungünstig bei Haar, das bis zum Hintern reicht. Der Mann sei Aboriginal, aus der Nullaboor-Wüste (schon wieder diese Wüste!) und er sei mit der Mission unterwegs, sein Land wieder zu bekommen. Unterwegs haben sie sich zufällig getroffen. Und nun fahren sie mit einem alten Holden Kombi und jeder Menge gutem Karma durch‘s Land.
Inzwischen ist es stockfinster und eine Gestalt taucht im Schein unserer Kerze auf: Der Aboriginal-Mann. Er hat eine Gitarre dabei – und fängt an zu singen. Ein Abo mit Gitarre, zwei verlauste Norwegerinnen auf Selbstfindungskurs und drei Trullas mit einem völlig verdreckten Toyota Corolla sitzen zusammen am Tisch, im Stadtpark von Walgett. Irgendwie war dieser ganze Tag sehr merkwürdig.
Als die Drei sich verabschieden schlägt Martin‘s Stunde: Badespaß am öffentlichen Wasserhahn. Selbst diese Dusche ist großartig, vor allem nach einem Tag wie diesem. Gute Nacht!